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Alles Fake? Wir gehen den künstlichen Wellen auf den Grund

Als ich im dunklen und schmuddeligen Dachzimmer meiner Studentenbude in Aberdeen über Swell-Charts und Surfforecast-Websites brütete, prasselten Regen Wind so sehr an die Fenster, dass es schlimmer nicht mehr ging. 

Wasser tropfte an der Wand herunter; der Müllsack, den ich an über den Riss in der Decke geklebt hatte, war als provisorische Abdichtung nicht so effektiv, wie ich gehofft hatte. Man gewöhnt sich an Stürme, wenn man an der wilden Nordostküste Schottlands lebt: Die einzige Konstante des sich ständig ändernden Wetters ist, wie unbeständig es ist. 

Aber diesmal hat es sich zu meinen Gunsten ausgewirkt: Nach wochenlanger Flaute zeigten die nordatlantischen Wellenbojen endlich Lebenszeichen - eine Dünung, die sprichwörtlich wie Soldaten zum Kampf ans Ufer stürmt. Eine Westswell, mit einer leichten Tendenz nach Norden... Und der Wind wird voraussichtlich abnehmen. Ich schnappte mir die Schlüssel zu meinem rostigen, ramponierten alten Nissan Micra und schaltete die flackernde und verbeulte Schreibtischlampe aus: Es würde eine lange Fahrt nach Norden bis Thurso werden.

Echte Wellen sind eine wahre Naturgewalt

Am nächsten Morgen sprang ich in die Flussmündung und ließ mich mit der Strömung ins Lineup ziehen. Die Wellen brachen so zuverlässig und rhythmisch wie der Puls eines riesigen Herzens; nie zuvor hatte ich mich so sehr mit der Natur verbunden gefühlt wie in diesem Moment. Als die Sonne den morgendlichen Meeresnebel durchdrang, paddelte ich in meine erste Welle der Session, hielt meinen Arm in die Face, als die Lip sich überschlug, und hörte auf zu denken.

Und das ist es, was uns zum Surfen treibt: die alltägliche Mühsal des modernen Lebens mit der reinigenden Kraft des Meerwassers wegzuspülen. Wenn wir auf diesem flüssigen Bergen aus reiner Energie stehen, verfallen wir automatisch in einen ursprünglicheren, primitiveren Zustand zurück und sind völlig geflasht, was hier gerade passiert. Es kann passieren was will, und wann es will: Du bekommst die Welle deines Lebens oder den Wipeout, den du nie vergessen wirst - aber alles mit absoluter Gelassenheit. Wir Surfer sind dem Ozean auf gut deutsch scheißegal. Und nichts anderes auf dem Planeten kommt einer so demütigenden oder aufregenden Erfahrung auch nur annähernd nahe.

Wie gut können künstliche Wellen überhaupt sein?

Was uns zum eigentlichen Punkt bringt: Warum versuchen wir dann, künstliche Wellen zu bauen? Sind wir wirklich so arrogant, zu glauben, dass wir es besser machen können als Mutter Natur? 

Ja, wir können wahrscheinlich eine perfekte Wasserwand formen, aber das ist noch lange nicht alles: Wo ist der Geruch von Salz und Algen in der Luft, das Rauschen des Wassers, wenn es gegen den Felsen klatscht, die Schreie der Seevögel... Das schiere Gefühl, von Energie und Leben umgeben zu sein? Kann die Erfahrung jemals mit der Wirklichkeit übereinstimmen? 

Die Surf-Medien sind in letzter Zeit voller Pressemitteilungen über Fortschritte in der Technologie der Wellengenerierung und den neuesten Plänen für Wellenparks: Die Kommentarfelder der Magazine sind voller Kontroversen und der üblichen Meinungen über die bevorstehende Realität von hergestellten und perfekt geshapten Wellen.

Welche Vorteile haben Wellenparks?

Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach - warum denn auch nicht? Sie werden vielleicht niemals mit den echten Ozean-Wellen konkurrieren können, aber es gibt doch viele Vorteile. Wellenparks sind der ideale Ort, um seine Technik zu verfeinern und fortgeschrittene Manöver zu perfektionieren. 

Wenn sich Surfen weiterhin in Richtung Aerials entwickelt, dann sind Wavepools wahrscheinlich die perfekten Trainingsspots. Die Beständigkeit einer völlig vorhersehbaren Welle, die jedes Mal auf genau die gleiche Weise bricht, erlaubt unvergleichliche Möglichkeiten zum Experimentieren. 

Kritiker betrachten diese Vorhersehbarkeit als Nachteil, aber lass mich dir folgende Frage stellen: Würdest du eine perfekte JBay-Wall verschwenden, nur um etwas Neues zu probieren (Backflip, irgendjemand?), den du zu 99,99% sowieso nicht sticken wirst? Nein? 

Nun, wie wäre es in einem Wavepool, wenn du weißt, dass die nächste Welle genauso gut sein wird? Das dachte ich mir.

Wenn man dann noch weiter schaut, bringen künstliche Wellen immer noch mehr Positives. Hat sich deine Arbeit und deine Familie gegen dich verschworen, sodass du nicht mehr zum Strand kommst oder wenn, dann zur falschen Tide? Oder - wtf. - lebst du im Landesinneren, dann ist es eh vorbei mit, „mal eben an den Strand fahren“!? Keine Sorge, geh doch nach der Arbeit einfach in den Wavepool, um eine Flutlicht-Session zu rippen. Das ist vielleicht nicht ganz so gut wie im Meer, aber zumindest rosten deine Skills nicht ein! So kannst du immer performen, wenn’s drauf ankommt. Keine Ausreden mehr.

Wie funktioniert so ein Wavepool?

Die ersten Wellenmaschinen arbeiteten mit einer kombinierten Technik. Zunächst wurde Wasser in spezielle Kammern gepumpt und anschließend wurde das Wasser in das Haupt-Becken zurückgedrückt. Das System funktioniert gut und kann überraschend gute Wellen von 4ft + erzeugen. Schau doch mal in den Wadi Adventure Park in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Hauptvorteile dieser Art von System liegen darin, dass es sehr präzise gesteuert werden kann und dass sich die meisten Maschinen in trockenen Räumen befinden, sodass sie leicht zugänglich und leicht zu reparieren sind. Es hat jedoch auch einige große Nachteile: Die Pumpen benötigen eine Menge Energie, sodass der Betrieb relativ teuer ist. Da das System nach jedem Zyklus wieder Wasser zurückpumpen muss, gibt es eine lange (90 Sekunden) Wartezeit zwischen den Wellen.

Neuere Konstruktionen wie Wavegarden sind völlig anders: Ein schlittenähnliches Hydrofoil wird, auf einer Bahn am Boden des Surfbeckens unter einer pierähnlichen Konstruktion, entlang gezogen. Während das Hydrofoil entlang seiner Bahn läuft, bildet es Wellen, die sich dann vom Pier wegbewegen und gleichzeitig eine Left- und Righthander formen. Am Ende der Strecke dreht sich das Foil einfach um 180° und läuft in die entgegengesetzte Richtung, wodurch zwei weitere Wellen erzeugt werden. Diese elegantere Lösung ist sowohl für Surfer als auch für Investoren attraktiver: Das effizientere Design verbraucht weniger Energie und erzeugt mehr Wellen, was bedeutet, dass trotz geringerer Betriebskosten mehr Personen pro Session surfen können, was hoffentlich zu geringeren Eintrittskosten führt.

Wavegarden sind aber nicht die einzigen Player im Game: Webber Wave Pools und die Kelly Slater Wave Company haben ebenfalls neue Ideen und Technologien entwickelt. Aber bisher sind diese Konzepte nur theoretisch oder laborbasierte Modelle. Wavegarden hingegen verfügt über einen voll funktionsfähigen Demonstrationspool im Baskenland. Aufgrund der Fläche an Land, die ihnen für den Bau der Lagune zur Verfügung standen, ist die Größe und Kraft der Wellen immer noch begrenzt. Aber ein 22-Sekunden-Ritt auf einer 4,25-Fuß-Welle ist der einzige Beweis, den wir brauchen, um uns für diese Aussicht zu begeistern! Obwohl dieses Testgelände nie für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird, wurden bereits mehrere Profisurfer wie Gabriel Medina eingeladen, um den Wavepool zu testen. Und sie kamen alle mit Lobeshymnen wieder raus: "Ich dachte, es würde kleiner sein. Es ist eigentlich richtig groß" - Dusty Payne. Da die Größe der Wellen nur durch die Größe der Lagune begrenzt ist, wird erwartet, dass die kommerziellen Pools wahrscheinlich noch größer und leistungsfähiger sein werden - obwohl Wavegarden darauf hinweist, dass Wellen mit über 2 Meter Höhe zu viel Energie benötigen würden, um wirtschaftlich rentabel zu sein.

Die Technologie von Wavegarden ist jedoch nicht nur für erfahrene Surfer geeignet: Wenn die Wellen durch die Lagune rollen, laufen sie in spezielle Buchten und crumblen dort als Weisswasserwellen - perfekt für Surfschulen und Anfänger zum Üben. Der Wavepool ist auch ideal für Kinder. Hier können Sie nach der Schule surfen gehen und die Eltern brauchen sich keine Sorgen, über Strömungen und sonstige Gefahren, die im Meer lauern, machen.

Sind Wavepools schlecht oder gut für die Umwelt?

Wellen sind im Endeffekt sichtbar gewordene Energie. Daher ist ihre Erzeugung natürlich mit einem Energieaufwand verbunden. Angesichts der riesigen Fülle natürlicher Wellen, die es auf der Welt gibt, erscheint es etwas verschwenderisch, sie dann selbst zu erzeugen. Wenn man jedoch bedenkt, dass der weitaus größte Teil des Kohlenstoff-Fußabdrucks der meisten Surfer auf Reisen zurückzuführen ist, werden Wavepools allmählich doch relevant. Wavegarden hat errechnet, dass, wenn du (allein) einen SUV fährst, mindestens 1,5 Stunden im Wasser bleibst und mindestens 15 Minuten näher zum Surfpark als zum Strand wohnst, dann ist deine CO2 Ausstoß beim Poolsurfen geringer als wenn du im Meer surfen gehst.

Diese Berechnungen beinhalten jedoch nur die Energie, die für die Erzeugung der Wellen benötigt wird und nicht den Ausstoß des tatsächlichen Baus des Parks. Der ist allerdings auch nicht so hoch, wie du zunächst meinen magst: Der Großteil der erforderlichen Arbeit besteht nur darin, die Lagune auszugraben und zu shapen. Zudem wird nur wenig Beton benötigt. Es ist also mit relativ wenig CO2-Emissionen verbunden.

Wie werden Waveparks die Surfkultur beeinflussen?

Eine oft geäußerte Kritik an Surfparks - meist von Surfern an der Küste - ist, dass die Surfkultur durch die Erbauung im Landesinneren verwässert wird. Wenn immer mehr Leute den Sport an sich lernen, aber nichts über die Gefahren des Meeres und der notwendigen Ettiquette wissen, führt das zu massivem Chaos in den Lineups. Viele von uns möchten das Gefühl haben, zu einem besonderen Stamm zu gehören, der sich dem Ozean und dem Surfen verschrieben hat. Wenn wir auf den Wellen reiten, fühlt sich das wie ein religiöser Ritus an. Wird sich das Surfen im Landesinneren auf diesen erhöhten Status auswirken?

Äh, nein. Wir könnten das Surfen als eine mystische und ursprüngliche Verbindung mit der Natur betrachten - und das kann es immer noch sein! - aber die Realität ist, dass die kommerzielle Welt vor langer Zeit dem Surfsport die Seele genommen hat. In allen wärmeren Teilen der Welt hängen Kids den ganzen Sommer lang in Boardshorts, Flip-Flops und Perlenketten herum, während Quiksilver und Co. in den meisten Großstädten der Welt, einschließlich London und New York, Flagshipstores hat. Videos und Bilder vom Surfen werden verwendet, um alles zu verkaufen, vom Aftershave bis zu Tintenpatronen von Fotokopierern, und die typische Surf-Musik hat ihren Weg in mehrere ikonische Filme wie Dr. No und Pulp Fiction gefunden.

Das Surfen ins Landesinnere zu bringen, dürfte genau das Gegenteil einer Verwässerung der Kultur bewirken - es wird denjenigen, die sich mit der Kultur identifizieren, die Möglichkeit geben, tatsächlich am Sport teilzunehmen und sich aktiv mit dem Lebensstil auseinanderzusetzen. Das Surfen kann einen massiven positiven Einfluss auf das Leben der Menschen haben und ein unglaubliches Mittel zur sozialen Verbesserung sein; warum sollte man es nicht nutzen, um die Welt zu verbessern? Wie kann das eine schlechte Sache sein?

Künstliche Wellen und Trainingsspots im Landesinneren könnten für viele Menschen auch der Türöffner in die Wettkampfszene sein. Die Idee mag im ersten Moment lächerlich erscheinen, aber in Wirklichkeit ist sie gar nicht so ungewöhnlich: Jenny Jones lernte auf einem Dry-Slope in Großbritannien Snowboarden und gewann bei den Olympischen Spielen in Sotschi die Bronzemedaille; Joe Morley, zweifacher Extrem-Kajak-Weltmeister beim Adidas-Sickline-Rennen in Österreich, lernte das Kajakfahren auf künstlichen Wildwasser-Slalomstrecken.

Die Fähigkeit, Wellen präzise zu kontrollieren, könnte auch die Wettkampfformate selbst enorm verbessern. Lange Wartezeiten zwischen den Sets schrecken das Mainstream-Publikum ab, und große Swell-Windows schrecken die Fernsehsender ab: Die Zeitpunkte der Ereignisse sind einfach zu unberechenbar, um eine Live-Berichterstattung zu planen. Dies behindert auch den Aufstieg des Surfens zu einer olympischen Disziplin und die damit verbundene Finanzierung - sowohl an der Basis als auch auf Profi- und Unternehmensebene. Künstliche Wildwasser-Tracks werden quasi routinemäßig für alle olympischen Kajak-Slalom-Wettkämpfe gebaut (und der Londoner Lee-Tal-Kurs floriert auch lange nach den Spielen als öffentliche Rafting-Anlage), warum also sollte das Surfen - eine größere und beliebtere Sportart - nicht in ähnlicher Weise davon profitieren?

Wo kann ich in einem Wavepool surfen?

Stand heute - solange du keine Einladung zum Wavegarden im Baskenland bekommst - musst du dich mit der alten Technologie zufriedengeben. Da ist der Wadi Adventure Park in den VAE die wohl beste Alternative. Hier kannst du dann aber auch zwischen verschiedenen Wellenarten wählen. Die 4ft hohen Wellen gibt es als Linke, Rechte, A-Frames und sogar als Cloesouts. Die Wellen sind sogar gut genug um regelmäßig Wettkämpfe abzuhalten. Unter anderem stoppt hier die SUP World Tour. 

Die Disney Typhoon Lagoon ist ebenfalls Schauplatz von einigen Contests und generell beeindruckendem Surfen! Wenn du aber richtig große Wellen suchst, solltest du in den Siam Water Park auf Teneriffa gehen. Hier kannst du bist zu 3m hohe Wellen surfen. Ein Haken haben aber alle drei Parks gemein. Die Eintrittspreise sind sehr teuer und du musst lange warten, bis du an der Reihe bist.

Der erste „New School Park“ steht aber schon in den Startlöchern. Und alle UK-Surfer können sich schon mal drauf freuen… Denn der Bau des Wagenparks hat schon begonnen. Surf Snowdonia - hier steckt die Technologie von Wavegarden drin - im Conwy Valley (Wales) wird voraussichtlich im Juli 2015 eröffnen. The Wave UK hat zudem noch die Erlaubnis bekommen einen weiteren Surfpark in der Nähe von Bristol zu errichten (ebenfalls auf Basis des Wavegardens). Es wurde bereits ein Crowdfounding erfolgreich durchgeführt. Der Baubeginn ist auf das Frühjahr 2015 terminiert.

Aber es tut sich nicht nur was in der UK. Es gibt weitere Projekte wie beispielsweise in Rotterdam (Niederlande), in Varberg (Schweden), Montreal (Kanada), Queenstown (Neuseeland), Sochi (Russland), Oahu (Hawaii) und in Helsinki (Finnland).

Und jetzt die alles entscheidende Frage. Wenn ein Wavepark in der Nähe deiner Stadt gebaut wird, wirst du dort surfen gehen?

Typ 2 Spaß-Enthusiast. Am glücklichsten bin ich wenn sich Kälte, Nässe und Angst vereinen. Ob das jetzt mich atemlos mit Skiern auf dem Rücken einen Berg hochschleppen ist oder schreiend eine Welle reiten ist. Ich bin der festen Überzeugung das n+1= das perfekte Zusammenspiel ist. Ach ja, Whisky mag ich übrigens auch.